„Sexuelle Probleme sind nicht das eigentliche Problem.
Sie sind ein Symptom für Einsamkeit, Bindungslosigkeit, Depressionen, Ärger.
Die emotionalen und geistlichen Probleme liegen viel tiefer.“
Die Cybersex-Versuchung (Teil 4)
Das christliche Monatsmagazin „Neues Leben“ veröffentlichte ein Interview mit Dr. Mark Laaser, der als ehemals Betroffener selbst über lange Zeit mit Pornografie kämpfte und heute in einem ausgedehnten Beratungsdienst steht.
Neues Leben: Sollte man zuerst nur mit seinem Partner oder seiner Partnerin darüber reden?
Laaser: Ich würde von vornherein mit mehreren Leuten darüber sprechen. Man braucht schon guten Rat, wie und wann man es seinem Ehepartner beichten sollte. Damit sollte man ihn oder sie nicht überfallen. Viel Betroffene glauben fälschlicherweise, dass das Problem dann gelöst sein wird, wenn sie es nur ihrem Partner sofort gestehen. Aber das funktioniert nicht so einfach.
Neues Leben: Niemals?
Laaser: Vielleicht ab und zu. Aber selbst in diesen Fällen habe ich das Gefühl, dass die Leute nur krampfhaft die Zähne zusammenbeißen und das eigentliche Problem dabei überspielen. Das Wichtigste ist, dass alle die sexuellen Probleme Symptome sind. Sie sind nicht das eigentliche Problem. Sie sind ein Symptom für Einsamkeit, Depressionen, Ärger. Die emotionalen und geistlichen Probleme liegen viel tiefer. Wenn man also abhängig geworden ist, wenn es zur Gewohnheit geworden ist, sollte man es als Symptom dafür betrachten, dass es vielleicht Beziehungsprobleme gibt. Wo die herkommen? Vielleicht stimmt etwas mit ihrer Ehe nicht? Wenn sie ihrer Ehefrau also nur erzählen, dass sie sich Internet-Pornos ansehen, wird das der Situation nicht helfen.
Neues Leben: Wohin soll man sich dann wenden? Sie haben in diesem Zusammenhang die Kirchen ja sehr scharf kritisiert.
Laaser: Ich glaube, die grundlegende Frage sollte lauten: Ist die Kirche ein sicherer Ort, um über diese Art von Sünde zu reden? Oder wird man verurteilt werden? Ich glaube, dass jeder von uns in der Gemeinde einmal alle Arten von Sünde betrachten sollte, um sich dann zu fragen: Ist unsere Gemeinde der Ort, wo wir sicher über unsere Fehler reden und immer noch Gnade empfangen können? Oder gehen wir in die Kirche und versuchen uns und anderen einzureden, dass wir etwas sind, das wir eigentlich gar nicht sind?
Neues Leben: Ist der pervers-positive Aspekt der ganzen Sache also, dass die Kirchen durch die ausufernde Internet-Pornografie dazu gezwungen werden, endlich offener über Sexualität zu reden?
Laaser: Sexualität ist ein wunderbares Geschenk für die Ehe. Durch die zunehmenden pornografischen Angebote werden Christen dazu gezwungen, einmal tiefer darüber nachzudenken, was sich Gott mit der heiligen Vereinigung zweier Menschen in einer Ehe wirklich gedacht hat und was Paulus meinte, als er davon sprach, dass Mann und Frau ein Fleisch werden sollen. All das im Licht dessen, was uns die heutige Gesellschaft über Sexualität lehrt.
Neues Leben: Wie decken sich Ihre Thesen zur Sex-Sucht denn mit biblischen Aussagen?
Laaser: Begriffe für Lust, die Sie in der Bibel finden, sind auf eine Weise Synonyme für Selbstsucht. Gesunde Sexualität ist nicht selbstsüchtig. Sie ist nicht einfach dafür gemacht, eigene biologische Bedürfnisse zu decken; Sexualität ist vielmehr als Ausdruck für die Fülle einer emotionalen und geistlichen Beziehung gedacht. Aus dieser Sichtweise heraus glaube ich, sollte man sich eher um die Beziehung zu seinem Partner sorgen als darum, ob heute Abend diese oder jene Art von Sex bekommt.
Neues Leben: Sie haben oft behauptet, dass Sex nicht das größte Bedürfnis eines Mannes sei. Das widerspricht den Aussagen vieler anderer Autoren.
Laaser: Ich glaube, da täuschen sich viele Männer selbst. Wenn sie glauben, dass unsere menschliche Biologie das ist, was uns antreibt, ist Sex wirklich wichtig. Wenn wir Männer aber danach streben, ein Herz für Gott zu bekommen, dann glaube ich, ist unser Hunger nach Gott unser größtes Bedürfnis. Wenn wir Christus in unserer Ehe suchen, dann glaube ich, ist das unser größtes Bedürfnis.
Neues Leben: Aber Sie sind doch selbst lange „verbotenem“ Sex nachgejagt, als wäre es Ihr größtes Bedürfnis. Männer, die heutzutage abhängig sind von Pornografie, fühlen sich vielleicht genauso, auch wenn sie wissen, dass es Sünde ist.
Laaser: Und genau das ist die Frage: Wem oder was jage ich hinterher? Welche Ziele, welche Visionen füllen mein Herz aus? Wir wollen Männern höhere Wege vermitteln. Gott hat uns biologische Sehnsüchte gegeben, das steht außer Zweifel. Der Anblick einer nackten Frau wird uns stimulieren und wir werden darauf reagieren wollen. Das ist einfach ein Teil von unserem Menschsein. Aber wir können uns auch über unsere grundlegenden biologischen Bedürfnisse hinwegsetzen, indem wir ein Herz für Gott entwickeln, ein Herz für unsere Frauen und ein Herz dafür, ein Fleisch mit ihnen zu sein. Wenn wir das nicht tun, wird es uns immer so vorkommen, als ob Gott uns einen miesen Streich spielt, indem er von uns die Monogamie verlangt.
(Auszug aus NEUES LEBEN – das christliche Ratgebermagazin. Ausgabe: September 2001, 46. Jahrgang, S. 27-29. Probeheft anfordern und mehr lesen auf www.neuesleben.com)